Zwei hochamtliche Schriftstücke machen es möglich: 2012 kann im Südwesten ein „Doppeljubiläum“ gefeiert werden. Denn vor 900 Jahren wurde erstmals der Herrschaftstitel des „Markgrafen von Baden“ in einer Urkunde schriftlich festgehalten. Damit steht dieses Dokument von 1112 am geschichtlichen Anfang des späteren Landes am Oberrhein.
Eine andere entscheidende Urkunde wurde vor 60 Jahren unterzeichnet: Am 25. April 1952 setzten die Gründerväter des neuen Bundeslandes Baden-Württemberg ihre Namen unter den Vereinigungsvertrag.
60 Jahre Baden-Württemberg, 900 Jahre Baden: In vielen Teilen des Landes wird – mal mit Schwerpunkt auf das eine, mal auf das andere – dieses „Doppeljubiläum“ durch Veranstaltungen gewürdigt. So auch in Bruchsal, wo ein ansehnliches Programm von April bis Oktober beiden Aspekten der Landesgeschichte gleichermaßen Rechnung trägt. „Die zwei Jahrestage miteinander zu begehen bietet Gelegenheit, über die Bedeutung der gewachsenen Identität einer Stadt und Region im Hier und Heute nachzudenken“, so Oberbürgermeisterin Cornelia Petzold-Schick. „Sicherlich hat auch Bruchsal in seiner jüngeren Geschichte der letzten zweihundert Jahre stark ‚badisch’ empfunden und ist doch zugleich seit sechs Jahrzehnten fest im Bundesland Baden-Württemberg verwurzelt.“
Bei der Volksabstimmung des Jahres 1951 hielten sich in Bruchsal Befürworter und Gegner des Südweststaates in etwa die Waage – innerhalb des damaligen Landkreises mit teils deutlich „altbadischen“ Wahltendenzen zumindest keine Selbstverständlichkeit. Für das bis 1803 fürstbischöflich-speyerische Bruchsal bedeutet die Erinnerung an „badische Geschichte“ vor allem die Zeit des unruhigen 19. Jahrhunderts.
Neben einer VHS-Exkursion zur Landesausstellung „Baden! 900 Jahre“ und Vorträgen des Ortsverbands der Badischen Heimat stehen bei mehreren Sonderführungen durch Schloss und Stadt zwei Frauen im Vordergrund, die zwar den Vornamen, sonst aber nur wenig teilten. Markgräfin Amalie von Baden, die fest in ständisch-feudalen Traditionen wurzelnde „Schwiegermutter Europas“, verbrachte ihren Lebensabend im Bruchsaler Schloss und ist hier am 28. Juli 1832 gestorben – am Todestag wird ihr eine Stadtführung gewidmet sein.
Ganz anders Amalie Struve: Revolutionärin, Schriftstellerin, Ehefrau des streitbaren Demokraten Gustav Struve. Ihre Ankunft am Bruchsaler Bahnhof im Mai 1849 war die Initialzündung zu einem couragierten Akt im Kontext der badischen Revolution: zur so genannten Bruchsaler Gefangenenbefreiung aus den Zuchthäusern der Stadt. Vor 150 Jahren ist Amalie Struve im Alter von nur 38 Jahren nach der Geburt ihres dritten Kindes in New York gestorben. Auch ihren Spuren widmet sich am 29. April eine Stadtführung.
Hauptveranstaltungen zu „60 Jahre Baden-Württemberg“ sind am eigentlichen Jahrestag, dem 25. April, ein Vortrag des Esslinger Kreisarchivars und Buchautors Manfred Waßner, ein „Geburtstagsständchen“ beim Amateurtheater „Koralle“ (Samstag, 5. Mai) sowie ab Juli eine themenbezogene Ausstellung im Bruchsaler Rathaus, bei der das Archiv des Landkreises Karlsruhe die Kandidaten, Plakate und Ergebnisse vergangener Landtagswahlen Revue passieren lässt.
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